Der Schwarzstorch (Ciconia nigra) in Baden-Württemberg 

Schwarzstorchhorst Baden Württemberg
Abb. 1: Der erste Schwarzstorchhorst in Baden-Württemberg nach Rückkehr der Art nach etwa 80-jähriger Abwesenheit. Der fütternde Altvogel im Bild wurde im Jahr 2006 im tschechischen Teil des Elbsandstein-Gebirges, rund 500 km Luftlinie entfernt, in einem Felsenhorst geboren und beringt. Der heute 14-jährige Vogel brütet seit 2009 auf dem abgebildeten Horst und hat dort bisher 39 Jungvögel aufgezogen.

Der Schwarzstorch gehört in Baden-Württemberg zu den sehr seltenen Brutvogelarten (Bauer et al. 2016). Wie in weiten Teilen seines zentraleuropäischen Brutareals verschwand die Art im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch aus Baden-Württemberg. Die letzte dokumentierte Brut erfolgte um etwa 1925 am Rand des Schönbuchs im mittleren Neckarraum (C. Kern u. a. in Schubert 1983, Hölzinger & Bauer 2011). Danach galt das Schwarzstorchvorkommen als landesweit erloschen, bis es in den 1990er Jahren wieder erste Hinweise auf Brutzeitvorkommen gab. Im Jahr 2003 wurde erstmals wieder eine Brut nachgewiesen, in einem Moorgebiet in Oberschwaben, im Alpenvorland zwischen Bodensee und Donau im Südosten von Baden-Württemberg (Hölzinger & Bauer 2011).

Anzahl beobachtete Schwarzstörche BW
Abb. 2: Anzahl der beobachteten Schwarzstörche in BadenWürttemberg (Summe der Individuenmaxima pro MinutenRasterfeld, ca. 1,8 x 1,2 km). Die rote Linie zeigt das 5-JahresMittel. Datengrundlage: circa 9.300 Schwarzstorch-Meldungen zwischen 2000 und 2020.

Seither erobert sich der Schwarzstorch sein angestammtes Gebiet wieder zurück und es sind ein kontinuierlicher Bestandsanstieg und eine Wiederausbreitung in Baden-Württemberg zu verzeichnen. So nahm der Brutbestand sowohl im 25-Jahreszeitraum 1987-2011 (Hölzinger et al. 2007) als auch im 12-Jahres-Zeitraum 2005-2016 (Ornithologische Gesellschaft Baden-Württemberg (OGBW) 2018: https://www.ogbw.de/voegel/brut/41) um jeweils über 50% zu. In der 5. Fassung der Roten Liste der Brutvögel Baden-Württembergs für den Zeitraum 2000-2004 lag der Brutbestand noch bei 1-2 Paaren und die Art wurde als „Stark gefährdet“ (Gefährdungskategorie 2) eingestuft (Hölzinger et al. 2007). In der 6. Fassung der Roten Liste für den Zeitraum 2005-2011 wurde der Brutbestand auf 8- 10 Paare geschätzt, allerdings mit der Anmerkung, dass der Bestand sicherlich bereits höher war. Entsprechend folgte eine Herabstufung des Gefährdungsstatus in die Kategorie 3: Gefährdet (Bauer et al. 2016). Für den Zeitraum 2009-2014 gingen Handschuh & Kramer (2014) auf Grundlage umfangreicher und detaillierter Auswertungen von Brutzeitdaten bereits von landesweit 30-50 Schwarzstorch- Revieren aus. Für das Jahr 2015 schätzten Handschuh & Heine (2016) den Brutbestand ebenfalls noch auf bis zu 50 Reviere und für den Zeitraum 2015-2017, allerdings auf Grundlage lediglich grober Datenauswertungen, auf über 60 Reviere (Abb. 3). Im Moment führen die Verfasser eine detaillierte Auswertung aller für den Zeitraum 2015-2020 vorliegenden Brutzeitdaten durch, aus denen sich eine weitere Bestandszunahme in jüngster Zeit abzeichnet, mit Verdichtung der Brutvorkommen in Kerngebieten und mit weiteren Neuansiedlungen bzw. Wiederbesiedelungen in anderen Landesteilen. Die geschilderte Bestandserholung und Wiederbesiedlung Baden-Württembergs spiegelt sich auch in der Zunahme der Schwarzstorchbeobachtungen wider (Abb. 2).

Nach einem leichten Anstieg der gemeldeten Individuen-Jahressummen zwischen 2000 und 2010 war bis einschließlich 2017 eine exponentielle Zunahme zu verzeichnen. Seither stagnieren die Zahlen, wobei zum Berichtszeitpunkt für das Jahr 2020 noch nicht alle Daten gemeldet worden waren. Der Schwarzstorch tritt in Baden-Württemberg regelmäßig von Anfang März bis Anfang Oktober auf. Ausnahmebeobachtungen gibt es im November, Dezember und Februar. Während aus der jahreszeitlichen Verteilung der Beobachtungen kaum ein Frühjahrsdurchzug ersichtlich ist, gibt es einen deutlichen Beobachtungsgipfel zwischen Ende Juli und Anfang September. Wahrscheinlich geht dieser nicht nur auf lokale Brutvögel und ihre flüggen Jungen zurück, sondern auch auf Zuzügler und Durchzügler aus weiter entfernten Gebieten. Inzwischen sind praktisch alle Regionen Baden-Württembergs wieder vom Schwarzstorch besiedelt. Schwerpunkte der Brutverbreitung liegen derzeit vor allem in Oberschwaben im Südosten des Landes sowie im Odenwald im Norden von BadenWürttemberg, zunehmend aber auch in anderen Landesteilen (Abb. 3).

Brutverbreituung Schwarzstorch BW
Abb. 3: Brutverbreitung (Brutverdachte und Brutnachweise) des Schwarzstorchs in Baden-Württemberg 2015-2017 nach Daten der AG Schwarzstorch BadenWürttemberg der OGBW.
Schwarzstorchhorst Kiefer Oberschwaben
Abb. 4: Schwarzstorchhorst auf Kiefer (etwas links vom Zentrum der oberen Bildhälfte) in einem typischen, nadelholzdominierten, stufig aufgebauten, störungsarmen und forstwirtschaftlich kaum genutzten Moorwald-Bruthabitat in Oberschwaben.
Foto: M. Handschuh, 9.12.2015

Bruthabitate

Der Schwarzstorch brütet in Baden-Württemberg bisher fast ausschließlich in nadelholzdominierten, stufigen Altbeständen, oft in feuchten oder anmoorigen Bereichen und typischerweise in eher abgelegenen, wenig erschlossenen, wenig begangenen und forstwirtschaftlich nicht oder kaum genutzten Waldbereichen. Abbildung 4 zeigt beispielhaft einen mehrjährig besetzten Horst in einem typischen Bruthabitat in Oberschwaben. Die Brutwälder müssen nicht unbedingt ausgedehnt sein, selbst ruhige Waldinseln von wenigen Hektaren können zur Brut genutzt werden. Horste sind allerdings praktisch immer in einer störungsarmen Ecke des Waldes gelegen, wenn auch nicht unbedingt sehr weit von stark frequentierten Wegen entfernt, und selten in Waldrandnähe oder direkt amWaldrand. In Baden-Württemberg brütet der Schwarzstorch meistens auf Nadelbäumen, weitaus am häufigsten auf Kiefer, gefolgt von etwa gleichen Anteilen an Fichte und Tanne, vereinzelt Eiche und selten Lärche oder Rotbuche. Entsprechend schwierig sind Schwarzstorchhorste in Baden-Württemberg in der Regel zu finden. Vor dem Hintergrund des anhaltenden positiven Bestandstrends haben sich auch der Schwarzstorchschutz und die Forschung am Schwarzstorch in Baden-Württemberg weiterentwickelt. So führte die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg 2015-2017 eine Artkartierung in landesweit ca. 40 von Handschuh & Kramer (2014) ausgewiesenen Suchräumen durch. Im Jahr 2017 wurde innerhalb der Ornithologischen Gesellschaft Baden-Württemberg eine Arbeitsgruppe Schwarzstorch gegründet. Die Aufgaben der Arbeitsgruppe umfassen vorallem die landesweite Datensammlung und Datenhaltung zum Schwarzstorch, die Koordination der Horstbetreuung und von (Horst-) Schutzmaßnahmen in Zusammenarbeit mit Naturschutzund Forstbehörden sowie die Förderung des Erfahrungsaustauschs, auch über die Landesgrenzen hinaus.

 

 

 

 

Literatur

Bauer, H.-G., Boschert, M., Förschler, M. I., Hölzinger, J., Kramer, M. & U. Mahler (2016): Rote Liste und kommentiertes Verzeichnis der Brutvögel Baden-Württembergs. 6. Fassung, Stand 31.12.2013. Naturschutz-Praxis Artenschutz 11. LUBW Karlsruhe.
Handschuh, M. & G. Heine (2016): Schwarzstorch. In: SBBW – Arbeitsgruppe „Seltene Brutvögel in Baden-Württemberg“ (Hrsg.): Seltene Brutvögel in Baden-Württemberg 2015. Ornithol. Jahreshefte Bad.-Württ. 32: 79-112.
Handschuh, M. & M. Kramer (2014): Abgrenzung potentieller Brutgebiete des Schwarzstorchs (Ciconia nigra) in Baden-Württemberg. Auswertung vorhandener Beobachtungsdaten der Jahre 2009- 2014 und Abgrenzung potentieller Brutgebiete als Grundlage für eine gezielte Bestandserfassung. Im Auftrag der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW), Karlsruhe, unveröff.
Hölzinger, J. & H.-G. Bauer (2011): Die Vögel Baden-Württembergs Band 2.0, Nichtsingvögel 1.1. Ulmer Verlag Stuttgart.
Hölzinger, J., Bauer, H.-G., Berthold, P., Boschert, M. & U. Mahler (2007): Rote Liste und kommentiertes Verzeichnis der Brutvogelarten BadenWürttembergs. 5. Fassung, Stand 31.12.2004. Naturschutz-Praxis Artenschutz Band 11. LUBW Karlsruhe.
Schubert, W. (1983): Vogelwelt in Schönbuch und Gäu. Beih. Veröff. Naturschutz Landschaftspflege in Bad.-Württ. 31. 118 Seiten. Karlsruhe.

 

Markus Handschuh, Georg Heine & Gerhard Maluck
Arbeitsgruppe Schwarzstorch Baden-Württemberg
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