Der Fischadler (Pandion haliaetus) in Mecklenburg-Vorpommern

Bestandsentwicklung

Der Fischadler war noch bis in die 2. Hälfte des 19. Jh. hinein in Mecklenburg-Vorpommern ein nicht seltener Brutvogel, aufgrund starker Verfolgung nahm sein Bestand jedoch stark ab. Nach Wüstnei & Clodius (1900) kam er zum Ausgang des 19. Jh. in Mecklenburg sowohl an der Küste als auch an den Seen des Binnenlandes vor. Ein häufiger Brutvogel war er jedoch offensichtlich nicht, wie aus der Anmerkung der Autoren: „Bei seiner Seltenheit dürfte jedoch der Schaden, den er der Fischerei zufügt, nicht von großer Bedeutung sein.“ geschlussfolgert werden kann. Im vorpommerschen Raum war der Fischadler zum Beginn des 20. Jh. ebenso bereits selten geworden. Brutplätze waren auf dem Darß und am Oderhaff bekannt (Hübner 1908).
Im Jahr 1934 waren in Mecklenburg lediglich 20 Brutpaare heimisch, der Gesamtbestand auf dem Gebiet des heutigen Mecklenburg-Vorpommerns dürfte bei 25-30 BP gelegen haben (Kuhk 1939, Klafs 1987, Köhler 1995). Aufgrund des nun gegebenen Schutzes erholte sich der Bestand, 1955 brüteten auf dem Gebiet des heutigen Mecklenburg-Vorpommerns wieder 67 Paare. Allerdings nahm der Bestand schon ab Mitte der 1950er Jahre infolge des Einsatzes von chlororganischen Insektiziden (insbesondere DDT und dessen Metabolite) und PCB wieder ab.

Brutbestand MV
Brutbestandsentwicklung des Fischadlers in Mecklenburg-Vorpommern

Insbesondere das DDT-Abbauprodukt p,p‘-DDE führte zu einer Verminderung der Eischalendicke und Erhöhung der Embryonensterblichkeit mit stark negativen Auswirkungen auf den Reproduktionserfolg und die Entwicklung der Population (Weber et al. 2003). Im Jahr 1975 wurde in Mecklenburg-Vorpommern mit 37 BP ein erneutes Bestandstief erreicht (Köhler 1995). Mit der zunehmenden Einschränkung des DDT-Einsatzes in Europa und auch in der DDR ab Beginn der 1970er Jahre und schließlich dem endgültigen Verbot setzte schon gegen Ende der 1970er Jahre eine Bestandszunahme des Fischadlers ein, die bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt anhält. (Abb. 1). Reproduktionsziffern und die Zahl ausgeflogener Jungen nahmen ab Mitte der 1980er Jahre wieder deutlich zu (Köhler 1995). Untersuchungen zur Belastung von Fischadlereiern mit chlororganischen Rückständen und PCB in den 1990er Jahren zeigten, dass diese stark abgenommen und nur noch geringe Auswirkungen auf den Reproduktionserfolg hatten (Weber et al. 2003). Im Jahr 2016 brüteten in Mecklenburg-Vorpommern erstmals wieder mehr als 200 Paare.
Mit der Zunahme des Fischadlers in seinen Kernverbreitungsgebieten im Nordosten Deutschlands (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern) kam es auch zu einer Arealausdehnung in südliche und westliche Richtungen. Die Bundesländer Sachsen, Sachsen–Anhalt und Bayern wurden schon in den 1990er Jahren wiederbesiedelt, Niedersachsen und Thüringen in den Jahren 2004 bzw. 2009 (Schmidt 2010). Im Jahr 2014 brütete der Fischadler erstmalig auch wieder in Schleswig-Holstein. Nach Dänemark kehrte der Fischadler bereits 1998 zurück, der Brutbestand blieb jedoch auf niedrigem Niveau (1-5 BP, Nyegaard et al. 2014; Jørgenson & Nyegaard 2016).

Brutverbreitung

Die höchste Siedlungsdichte erreicht der Fischadler in der gewässerreichen Landschaftszone „Höhenrücken und Mecklenburgische Seenplatte“. Auch das „Rückland der Seenplatte“ ist teilweise recht dicht besiedelt, insbesondere im Umfeld des Malchiner und Kummerower Sees sowie des Tollense-Sees. Das Vorpommersche Flachland beherbergt in seinem südwestlichen Bereich einige Brutplätze, insbesondere im Umfeld des Galenbecker und Putzarer Sees.

Verbreitung MVDie aktuelle Brutverbreitung des Fischadlers entspricht nach wie vor nicht der historischen Brutverbreitung. Die Ausdehnung des Brutareals erfolgt sehr zögerlich. Der Küstenraum, in welchem es vor dem DDT-Einsatz eine Reihe von Brutplätzen gab, ist gegenwärtig noch unbesiedelt. Auf dem Darß fand Kuhk (1939) z.B. 1923 und 1925 mindestens 15-16 besetzte Horste, 1935 brüteten hier noch 3-4 Paare. Um 1956 waren auf dem Darß und in der Rostocker Heide 15 BP bekannt. Bis 1970 waren jedoch alle Küstenbrutplätze aufgegeben. Gegenwärtig weisen einige Ansiedlungen im Raum Wismar bzw. südlich von Rostock auf eine Ausbreitungstendenz in Richtung Küste hin. Oftmals sind diese küstennahen Ansiedlungen jedoch nur von kurzer Dauer, wie z.B. ein Brutversuch südlich von Velgast im Jahr 2014 sowie Ansiedlungen im unteren Peenetal bei Görke (2013) bzw. Kamp (2013-2015) (Abb. 2).
Auch die Ausdehnung in Richtung Westen erfolgt recht zögerlich. Der Schaalseebereich ist nach wie vor unbesiedelt. Im Jahr 2014 entstand ein Brutplatz in der Lauenburgischen Seenplatte bei Mölln (Schleswig-Holstein). Dieser war zwar auch in den Folgejahren bis einschließlich 2017 besetzt, es folgten bislang jedoch noch keine weiteren Ansiedlungen.

Nistplätze

Die Mehrzahl der Fischadlerbrutplätze in Mecklenburg-Vorpommern (81,4%; n=307 besetzte Brutplätze zwischen 2003 und 2016) befindet sich auf Masten der Energieversorgungunternehmen, sonstigen Masten oder künstlichen Strukturen, nur 18,6 % auf Bäumen. Der Anteil von Brutplätzen auf Bäumen ist abnehmend. Im Jahr 2003 brüteten noch 19,2 % der Adler auf Bäumen, 2016 waren es nur noch 8,4 %. Bei den Masten überwiegen solche von Hochspannungsleitungen von 110 kV, gefolgt von 20 kV Mittelspannungsleitungen. Offensichtlich aufgrund des starken elektromagnetischen Feldes werden 380 kV-Masten weitgehend gemieden. Die Masten von stromfreien 380 kV-Leitungen werden hingegen besiedelt (z.B. 380 kV Überlandleitung des KKW Lubmin nach Abschaltung des Kraftwerks).

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Ein adulter Fischadler bringt seinen Jungen frische Beute. (Foto: Peter Wernicke)

Bei Brutansiedlungen auf Masten, die von Energieversorgungsunternehmen als problematisch angesehen werden, wird in der Regel eine Umsetzung des Nestes auf einen Kunsthorst genehmigt. Dazu werden von dem Energieversorgungs-unternehmen in unmittelbarer Nähe zum ursprünglichen Standort Masten mit einer Horstunterlage errichtet.
Bei den Baumarten, die vom Fischadler besiedelt werden, überwiegt mit 72 % die Kiefer. Nach Untersuchungen von Meyburg et al. (1995) ist der Bruterfolg auf Gittermasten höher als auf Bäumen. Im Hinblick auf die Zahl der ausgeflogenen Jungen pro erfolgreiches Brutpaar bestehen zwar keine Unterschiede zwischen den beiden Neststandorttypen, wohl aber im Hinblick auf die Bruterfolgsrate. Nester auf Bäumen unterliegen einem höheren Absturzrisiko und sind außerdem offenbar für Prädatoren leichter erreichbar.

Bruterfolg

In den 1970er Jahren waren die Bruterfolgsparameter noch deutlich vermindert. So betrug die durchschnittliche Brutgröße im Zeitraum 1970-1979 1,79 (Klafs 1987). Ab den 1980er Jahren war ein zunehmender Anteil von Dreierbruten – bei gleichzeitiger Abnahme der Einer- und Zweierbruten feststellbar. Die Brutgröße stieg auf 2,1 juv. im Zeitraum 1980-84, seit 1990 liegt sie im Mittel bei 2,3.
Im Zeitraum 1990-2010 zeigen alle drei Bruterfolgs-Parameter eine hohe Konstanz ohne signifikante Trends. Dies bestätigt die Ergebnisse von Weber et al. (2003), dass schon zu Beginn der 1990er Jahre die Belastung mit chlororganischen Rückständen unterhalb der Konzentrationen lagen, die Auswirkungen auf den Reproduktionserfolg haben.
Die durchschnittliche Bruterfolgsrate lag im Zeitraum 1990-2016 bei 0,8 Juv pro Brutpaar. Pro erfolgreichem Brutpaar flogen 2,31 Juv. aus. Bezogen auf alle Bruten lag die Jungenzahl im Durchschnitt bei 1,84 Juv.

 

Literatur:
Hübner, E. (1908): Avifauna von Vorpommern und Rügen. Verlag Theodor O. Weigel, Leipzig.
Jørgenson, M.F. & T. Nyegaard (2016): Projekt Truede og Sjældne Ynglefugle 2013-17. Neuigkeitenbrief, Dezember 2016:
Klafs, G. (1987): Fischadler – Pandion haliaetus (L., 1758). In: Klafs, G. & J. Stübs (Hrsg.): Die Vogelwelt Mecklenburg. Fischer-Verlag Jena: 157-158.
Köhler, W. (1995): Der Brutbestand des Fischadlers Pandion haliaetus in Mecklenburg-Vorpommern. Vogelwelt 116: 177-179.
Kuhk, R. (1939): Die Vögel Mecklenburgs. Opitz & Co. Güstrow.
Meyburg, U., O. Manowsky & C. Meyburg (1995): Bruterfolg von auf Bäumen bzw. Gittermasten brütenden Fischadlern Pandion haliaetus in Deutschland. Vogelwelt 116: 219-224.
Nyegaard, T., H. Meltofte, J. Tofft & M.B. Grell (2014): Truede og sjældne ynglefugle i Danmark 1998-2012. Dansk Ornitol. Foren. Tidsskrift 108.
Roepke, D. (1996): Fünfzehn Jahre Beringungsarbeit am Fischadler (Pandion h. haliaetus). Naturschutzarb. MV 39: 22-35.
Schmidt, D. (2010): Der Brutbestand des Fischadlers Pandion haliaetus in Deutschland im frühen 21. Jh. Charadrius 46: 10-17.

Weber, M., D. Schmidt & J. Hädrich (2003): Chlororganische Rückstände in Eiern des Fischadlers (Pandion haliaetus) aus Deutschland. J. Ornithol. 144: 45-58.
Wüstnei, C. & G. Clodius (1900): Die Vögel der Großherzogthümer Mecklenburg. Opitz & Co Güstrow.

 

Christof Herrmann, Wolfgang Köhler & Dietrich Roepke